Referenzen, die Geschichten erzählen.
Geschichten, die dich überzeugen können.
Wissen, wann man aufhören sollte.
Die Wiener Band Favoratzn brauchte Fotos für ihre neue CD und so gingen wir in den Böhmischen Prater, um das dortige Ambiente zu nutzen. Vor allem das älteste Ringelspiel Europas sollte als Kulisse herhalten, weil es da einen Bezug auf der Platte gab. Es war ein wunderschöner Morgen, wenig Betrieb und wir konnten herrlich rumalbern und schöne Fotos machen.
Als wir alles „im Kasten“ hatten und schon gehen wollten, sah ich den geöffneten Drachenschlund. Sofort hatte ich ein hochdramatisches Bild im Kopf von verzweifelten Männern, die sie sich zu Tode fürchteten und zu entkommen versuchten. Also schilderte ich ihnen meine Idee und schickte sie da rein. Stachelte sie nochmal richtig an. Machte ihnen Gesten vor. Schrie und gestikulierte…
Mit diesem Ergebnis.
Sie waren einfach müde. Mehr war da nicht zu machen. Die Lektion ist diesmal: wenn nach einem zwei-stündigem Shooting die Luft raus ist, dann ist da nix mehr rauszuholen. Egal, was ich an Tricks versuche, erschöpft ist erschöpft und braucht eine Pause bzw. ein Ende.
Dennoch finde ich dieses Bild zum Schreien komisch, weil es für mich nach älteren Herren mit Verdauungsproblemen aussieht. Danke, dass ihr so tapfer mitgespielt habt, Jungs!
Schwanger = sexy
Diese runden Babybäuche sind für mich unglaublich sexy. Die Trägerinnen dieser Bäuche sehen das meistens ganz anders. Sie fühlen sich wie das letzte Walross dieser Welt und sehr weit entfernt von begehrenswert. Das stachelt natürlich meinen Ehrgeiz an, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Hier sehen wir meine Nichte, die sich auch nur „aus dem Leim gegangen“ sah, sich aber mir zuliebe auf das Shooting einließ. Wir waren bei meiner Schwester in Deutschland, also weit weg von meinem Studio und das Wetter war kalt und verregnet. Also tigerte ich durch das Haus und suchte nach der richtigen Umgebung für meine Idee. Ich fand bodentiefe Fenster mit transluzenten Rollos und jeder Menge Licht von hinten. Perfekt!
Luise war begeistert, sich „verstecken“ zu dürfen. Sie klemmte sich zwischen Scheibe und Rollo, witzelte darüber, was wohl die Nachbarn gerade denken könnten und war damit hervorragend abgelenkt vom Lampenfieber. Bei den Posen musste sie sich sehr konzentrieren bzw. ziemlich einschränken, weil das Rollo relativ schmal war und somit wenig Versteckfläche bot. Tapfer tat sie alles, was ich ihr anwies, um aus dieser unbequemen Lage schnell wieder heraus zu kommen. Das Lampenfieber wich einer gewissen Anstrengung, was die Bilder sehr intensiv und wirklich sexy werden ließ. Luise war verblüfft, wie cool sie aussehen konnte und noch dazu mit diesem Bauch!
Fazit: Anstrengung lohnt sich. Und sich auf etwas Neues einlassen sowieso.
Sexy Mum
Diese Geschichte beschreibt quasi die Fortsetzung des oben beschriebenen subjektiv empfundenen Körpergefühls. Verena ist Mutter zweier Kinder und hat als Businessfrau die übliche Dreifachbelastung: Haushalt, Kinder und Job. Die vierte Rolle der begehrenswerten Geliebten geht in diesem Trubel meistens unter. Ein durchaus bekanntes Dilemma. Denn Sinnlichkeit braucht ausreichend gemeinsame Zeit und Aufmerksamkeit.
Nun kam also diese junge, attraktive Frau zu mir und sagte, sie wolle ein paar Fotos von sich haben, auf denen sie sich sexy und schön findet. Sie habe irgendwie vergessen, wie man sich so fühlt. Und ihrem Mann wolle sie diese Fotos schenken, damit er sie „wiedererkennt“. Ihr sinnliches Wesen wird im Alltag so sehr von den anderen drei Rollen verdeckt, dass es für Beide kaum noch zu sehen ist. Das wollten wir nun ändern!
Es war zauberhaft, was Verena zu bieten hatte! Im geschützten Raum meines Studios mit lauschiger Atmosphäre und unter meiner Regie konnte sie einfach nur die wundervolle Frau sein, die schon seit einigen Jahren erheblich zu kurz kam. Es war magisch, diese Verwandlung zu beobachten und natürlich auch festzuhalten. Den richtig heißen Scheiß zeige ich hier natürlich nicht! Aber der Ausdruck dieses Fotos spricht auch schon Bände, oder?
Was soll ich euch sagen? Die Session war ein voller Erfolg! Verena war außer sich vor Stolz und Freude und berichtete mir ein paar Tage später, dass ihr Mann auch hin und weg war. Und so… DAFÜR LIEBE ICH MEINEN JOB!
Lass uns spielen!
Zugegebenermaßen musste ich erstmal googeln, was cosplay ist, nachdem mich das Kind von Freunden angerufen und um ein Fotoshooting als Cosplay-Figur gebeten hatte. „Cosplay ist ein Trend, der vor allem unter Jugendlichen verbreitet ist. Dabei geht es darum, sich möglichst detailgetreu wie sein Lieblingsheld aus einem Comic, Computerspiel oder Film zu verkleiden und dessen Gesten zu übernehmen.“ erklärte mir Google. Hört sich spaßig an, dachte ich mir.
Außerdem fühlte ich mich geehrt, weil Ulli der Meinung war, dass nur ich die Fotos so von ihr machen könnte, wie sie sich das vorstellte. Ich kenne sie, seitdem sie Fünf ist und habe in all den Jahren offensichtlich ein gewisses Vertrauen bei ihr aufbauen können, dass sie mich nach über Vier Jahren Nullkontakt einfach anrief und buchte.
Sie kam in voller Verkleidung in mein Studio und kicherte, dass die Leute sie auf dem Weg zu mir voll angestarrt hätten. Spitze, diese Teenager von heute scheißen sich einfach nix! Dementsprechend großartig war dann auch das Shooting. Ulli hatte so viele typische Posen ihrer Figur drauf und war komplett in dieser Rolle drin. Was für ein Spaß! Nach dem Shooting verwandelte sie sich sofort wieder in sie selbst zurück. Auch sehr entzückend, aber längst nicht so offensiv sexy und selbstbewusst!
Was könnt ihr nun aus dieser Geschichte ziehen? Dass man sich vor der Kamera leichter tut, wenn man in eine andere Rolle schlüpft. Am besten in die Rolle:“Wie würde ich gern sein oder wirken?“
Kritisch, aber überzeugt.
Dieses war Waltrauds drittes Shooting bei mir. Wir hatten mit klassischen Portraits begonnen, die eher hell waren. Dann konnte ich sie dazu bewegen, in dunklerem Ambiente ihre Tätowierungen herzuzeigen. Bei der gemeinsamen Auswahl der Bilder beschwerte sie sich beide Mal, das mein Licht ganz schön „brutal“ sei. Sie sähe da Sachen, die sie im Spiegel nicht sieht.
Mag sein. Die Wahl meiner Objektive und die Lichtsetzung hat nicht die Priorität, Menschen zu verschleiern. Ich mag Kontraste und einen intensiven, ehrlichen Ausdruck. Meiner Meinung nach kommt da die wahre Schönheit, also das wahre Wesen eines Menschen erst richtig zum Vorschein.
Jetzt denkst du vielleicht:“Na toll, aber es ist doch wichtig, das MIR die Fotos gefallen!“ Richtig! Tun sie ja auch. Lies nur weiter.
Ihre Erfahrung mit meinen Bildern trieb Waltraud wieder zu mir. Diesmal wollte sie sexy Fotos von ihrem schönen Körper. Für mich ein deutliches Zeichen von Vertrauen und Wertschätzung!
Wieder habe ich sie auf meine Art inszeniert und wieder hat sie bei der ersten Sichtung ein bisschen gezuckt. Dann aber hat sie festgestellt, dass diese Bilder sehr besonders und ausdrucksstark sind. Künstlerisch eben. Und mit ein bisschen Retusche kann ich „unerträgliche“ Stellen ja auch glätten.
Jetzt hängt jedenfalls eines der Fotos riesengroß auf Leinwand gedruckt in ihrem Schlafzimmer und sie erfreut sich jeden Tag daran. Mission erfüllt, sag ich da!
Reife Entscheidung
Viele Menschen tragen lange die Überlegung mit sich herum, ob und was sie sich tätowieren lassen wollen. Die meisten davon lassen es dann einfach bleiben, weil immer wieder etwas dagegen spricht. Die berufliche Position, der Partner, die Eltern… Vielleicht auch weil sie denken, es sei ab einem bestimmten Punkt im Leben einfach zu spät dafür. Das gilt sogesehen für viele Dinge, nicht nur für Tätowierungen.
Nicht so Andreas. Er hat sich lange mit diesem Thema beschäftigt und doch immer wieder davon abhalten lassen. Mit 59 Jahren hat er dann beschlossen, sich endlich diesen großen Wunsch entgegen aller Widerstände zu erfüllen. Jetzt oder nie und zwar gleich richtig! Mit dem Tätowierer seiner Wahl hat er gleich seinen gesamten Oberkörper konzipiert und direkt mit den Armen begonnen. Seitdem arbeiten sich die Beiden beständig voran, bis das Werk vollendet ist. Andreas ist glücklich und mega stolz auf sich. Was er auch eindeutig ausstrahlt.
Nun, warum finde ich diese Geschichte erzählenswert? Weil sie für mich ein wundervolles Beispiel dafür ist, dass es nie zu spät ist, etwas zu erreichen, wenn man es wirklich will! Gegen alle Widerstände, die natürlich immer auftreten. Einfach anfangen und unbeirrt dran bleiben. Egal, was Andere dazu sagen. Man kann seine Wünsche und Visionen leider komplett „zerdenken“ – bis sie völliger Matsch sind und nicht mehr zu gebrauchen. Jedes Mal schade drum!
Natur-Tattoo
Marlis ist für mich ein echtes Vorbild, was sogenannte Makel angeht. Sie hat riesige Feuermale am Körper und trägt diese mit dem selben Stolz, wie ich meine Tattoos. Sie nennt sie auch liebevoll „meine Natur-Tattoos“. Sie kam zu mir ins Studio, um sich mit ihren Feuermalen portraitieren zu lassen. Das Paillettenkleid, welches sie sich gekauft hatte, legte nicht nur besonders viel von ihren Malen frei, sondern passte auch noch farblich dazu. Ich war beeindruckt!
Üblicherweise muss ich die Menschen vor meiner Kamera mit Engelszunge versuchen zu überzeugen, dass ihre vermeintlichen Makel gar keine sind und dass sie sie nicht verstecken sollen. Die Tragik ist häufig, dass die nahezu makellosen Menschen am heikelsten mit sich sind und Dinge an sich bemängeln, die niemand sieht außer ihnen. Dem ist sehr schwer beizukommen in einer einzigen Session. Das gibt sich erst in der Wiederholung.
Doch zurück zu Marlis. Sie präsentierte sich stolz in ihrem schönen Kleid, drehte und wendete sich immer so, dass man möglichst viel von den Feuermalen sehen konnte. Sie fühlt sich beschenkt damit, nicht verunstaltet. Ich feiere das extrem ab, weil so eine Einstellung zum eigenen Körper leider viel zu selten ist. Was auch zur Folge hat, dass ich so wundervolle Motive äußerst selten vor die Linse bekomme. Sehr viele Menschen verstecken etwas, was sie genauso gut mit Stolz herzeigen könnten. Wie viel leichter wäre das Leben?!
Der tätowierte Koch.
Olivier sprach mich an. Während ich eine Freundin am Donaukanal fotografierte, beobachtete er uns neugierig und kam danach zu uns. Nach einem lustigen Geplänkel fragte er mich, ob ich ihn nicht auch fotografieren wolle. Cool, dachte ich, muss nur ein bisschen wichtig mit der Kamera herumtun und schon sprechen mich attraktive Männer an.
Da es ein warmer Tag war und er nur ein T-Shirt trug, sah ich seine Tätowierungen. Die sind mein Steckenpferd in der Fotografie. Tätowierte Menschen mit ihren „Geschichten“ sinnlich zu inszenieren macht mir besondere Freude. Also vereinbarte ich nach einem kurzen Interview einen Termin mit ihm im Studio.
Es ist so erfrischend unkompliziert, tätowierte Männer dazu zu kriegen, sich auszuziehen. Ich sag nur:“Na, dann zeig mal her!“ und zack: nackig. Das macht man eben so. Dann gehen die Geschichten los, wo sie es haben stechen lassen und was es für ihr Leben bedeutet. Immer wieder spannend und manchmal auch bewegend!
Olivier ist ein so genannter Sammler. Viele Erinnerungsstücke aus allen Teilen der Welt. Mein persönliches Lieblingsstück war das Messer auf seinem linken Oberarm. Es war sein erstes Messer, das er sich leistete, als er mit 16 in Lion seine Lehre als Koch begann. Dieses Messer hat ihn unzählige Male verletzt, aber er hat damit auch alles gelernt, was man beim Zerkleinern drauf haben muss. Ein würdiger Kandidat, um auf der Haut verewigt zu werden.
Ein Mensch seines Stammes.
Ich sprach Gerhard an. Er ging einen Tag vor der Rainbow-Parade vor mir über die Ampel und seine nahezu schwarzen Beine zogen mich in ihren Bann. Er hatte nur einen schwarzen Stringtanga zu seinem T-Shirt an und einen Sonnenhut auf. Pikantes Outfit vor dem Burgtheater, in welches ich mit einer Freundin gerade gehen wollte.
Ich ging ihm nach und fragte ihn einfach, ob er sich mit mir zusammen fotografieren ließe. Gerhard war sehr freundlich und posierte bereitwillig mit mir, während meine Freundin uns mit dem Smartphone fotografierte. Die Reaktion der Leute auf diese spontane Aktion war unbezahlbar. Einige fragten sich sicher, ob das eine Kunst Performance sei und was sie mit dem Stück zu tun haben könnte.
Da wir uns auf Anhieb gut verstanden, fragte ich ihn, ob er Lust hätte, sich in meinem Studio etwas kunstvoller inszenieren zu lassen. Eine Woche später stand er im Studio vor meiner Kamera. Wir hatten uns viel zu erzählen während der Session. Da war eine bemerkenswerte Vertrautheit, die wunderschöne Stimmungsfotos entstehen ließ.
Das Portrait von Angela Davis und die darunter stehenden Werte sagen alles über seinen Träger. Seither sind wir befreundet und haben einen feinsinnigen Austausch über das Leben, die unterschiedlichen Wege und wohin diese einen führen können. Und zu wem. Gerhard hat eine schöne Erklärung für unsere Verbundenheit: Wir sind Menschen eines Stammes. Ein Stamm, der nichts mit Hautfarbe oder Herkunft zu tun hat, sondern nur dieselben Werte teilt.
MNS oder Maulkorb.
Im Frühjahr 2020 brach die COVID-19-Pandemie aus und die Menschen wurden weltweit dazu verdonnert, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. In sämtlichen Social Media Kanälen präsentierten sich die Leute mit ihren Masken. Die meisten fanden diesen Pseudo-Ninja-Style wahrscheinlich cool. Ich nicht. Dennoch hatte ich das Bedürfnis, diesen unfreiwilligen Trend fotografisch festzuhalten.
In einem Gespräch beklagte sich eine meiner Freundinnen, dass sie sich mit dem Ding fühle, wie mit einem Maulkorb. Des Weiteren sei es auch hochinteressant, wie die Europäer seit Jahrzehnten auf die Verhüllung der muslimischen Frauen schimpfen, aber die neu verordnete Vermummung wurde sofort angenommen und zu einem gewissen Grad sogar kultiviert. Da kam die Idee.
Ich fragte Anna, die ich wegen ihrer ausdrucksstarken Augen für besonders geeignet hielt, ob sie mir für dieses Foto Modell stehen würde. Sie zögerte kurz, weil sie seit Monaten nicht beim Frisör und der Ansatz dementsprechend rausgewachsen war. Noch besser, sagte ich, ein weiteres wichtiges Zeichen dieser Zeit. Die Haare gerieten allmählich bei Allen außer Kontrolle.
Ich wollte das Bild einer wilden Frau kreieren, der man zwar einen Maulkorb angelegt hat, die diesen aber mit Würde trägt und nichts von ihrer Stärke einbüßt. Danke, liebe Anna, dass du meine Idee auf so perfekte Weise verkörpert hast!
Wie Susanne zu mir kam.
Susanne und ich trafen uns ursprünglich, weil ich mich mit ihr über Barrierefreiheit im Web unterhalten wollte bzw. nach einer professionellen Testerin suchte. Sie ist eine zertifizierte Prüferin und konnte mir all meine Fragen beantworten, die mir eine sehende Person vielleicht nicht so einfach hätte beantworten können. Ein sehr wertvolles Treffen mit einer beeindruckenden Frau!
Natürlich habe ich ihr auch von mir und meinen Leidenschaften erzählt, wo die Portrait-Fotografie ganz vorn steht. Sie hat in diesem Gespräch ein solches Vertrauen zu mir aufgebaut, dass sie sich spontan entschlossen hat, Businessportraits bei mir im Studio machen zu lassen. Davor fürchte sie sich ein bisschen, aber sie brauchte so dringend welche.
Das Shooting war für uns beide eine Herausforderung. „Blindes Vertrauen“ hat seither eine tiefere Bedeutung für mich. Das ist schon ein ganz anderer Energieaufwand, wenn ein essenzieller Sinn einfach nicht vorhanden ist. Da muss man von Gesten auf Worte umsatteln und noch viel mehr Spiegel sein als sonst. Die Regie wird bewusster, weil ich sie in verständliche Worte fassen muss, wo ich ansonsten einfach herum hample und es vor mache.
Mit dem Ergebnis waren wir beide happy. Ihr Mann hat ihr die Fotos beschrieben und am Ende gesagt: „Nur das Original ist schöner!“
Die schöne Dagmar.
Dagmar hat alle Attribute, die man gemeinhin als „schön“ bezeichnen würde. Große blaue Augen, Schmollmund, dichtes blondes Haar, schlanke Figur. Auch an innerer Schönheit mangelt es ihr nicht. Dennoch hasste sie es, fotografiert zu werden, weil sie sich einfach nie gefiel.
Sie kam zu mir mit dem Wunsch, diese Kamerascheue zu überwinden, weil ihr das schon selber auf die Nerven ging. Sie ging ja auch als Laienschauspielerin auf die Bühne und hatte es dort auch geschafft, ihr Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Das hatte ihr aber ihr Unwohlsein vor einer Kamera nicht genommen.
Ich war neugierig, wo das Problem liegen könnte und ließ sie einfach mal posen. Nach fast jedem Bild wollte sie schauen und kontrollierte sich auch ständig im Spiegel. Aha, Kontrolle war es also. Kennen wir das nicht selber auch? Also versicherte ich ihr, dass wir die Fotos nach der Session gemeinsam sichten und sie ALLE sofort löschen darf, die sie nicht mag. Und jetzt solle sie sich mal in ganz andere Situationen versetzen, die nichts mit Darstellung zu tun haben und mir ihre Geschichten ganz ohne Worte erzählen.
Es wurde eine unglaublich intensive „Zusammenarbeit“ mit wunderschönen Ergebnissen. Zum Abschied sagte sie zu mir: „Du hast es geschafft, meine große Abneigung, fotografiert zu werden, in etwas zu verwandeln, was ich jetzt immer wieder haben möchte. Eine echte Befreiung. Danke!“
Romana wollte es wissen.
Romana hatte das verbreitete Problem: sie fand sich immer schrecklich auf Fotos. Wirklich immer! „Da erkenne ich mich einfach nicht! So sehe ich mich nicht.“ Sie hat deshalb Fotosituationen gemieden, bis sie in die Verlegenheit kam, dass sie ein paar sympathische Bewerbungsfotos brauchte.
Da ich mich mit meinen Behauptungen recht weit aus dem Fenster lehnte, wollte sie es wissen! Wie ALLE Menschen mit der Überzeugung, völlig unfotogen zu sein, hielt sie sich natürlich für den aussichtslosesten Fall. Dennoch wollte sie ausprobieren, ob ich es auch bei ihr schaffe, was ich lauthals versprach.
Wie in den meisten Fällen war es die Anspannung. Und was hilft da? Bewegung und Aaatmen! Also scheuchte ich sie hin und her, ließ sie lustige Posen einnehmen, stachelte sie an, mir ihre Lieblingsfratzen zu zeigen und forderte sie unablässig auf, zu atmen. Die Situation bekam eher was von kindlichem Wettbewerb „Ey, kannst’e das hier?“. Die Bewerbungsfotos wurden fast nebensächlich. Vorrangig war der Spaß an der Situation.
Ja, es hat seine Zeit gebraucht. Ja, wir haben etwa 2 Drittel der Bilder umgehend gelöscht. Allerdings auch Tränen gelacht dabei. Und Romana war ganz aus dem Häuschen, wie gut sie sich auf vielen Fotos gefiel. „Coole Tricks hast du da, die merk ich mir!“ Sehr gut! Dafür mach ich doch den ganzen Zauber.
Yin Yang
Ich gebe es zu: ich mag den schwarzen Hintergrund viel lieber als den weißen. Bei Bewerbungs- oder Businessfotos ist heller Hintergrund quasi Pflicht, aber gerade privat darf es nach meinem Geschmack gern ein bisschen dunkler werden. Die weißen Strahlefotos mache ich nur auf ausdrücklichen Wunsch, empfehle aber natürlich die dunkle Umgebung. Für mich ist sie künstlerischer und stimmungsvoller. Meistens komme ich damit durch.
Eine meiner Stammkundinnen bestand nun aber auf weiß. Dunkel hätte sie genug, sie wolle mal was anderes. Mist! Meine bewährte Modellierung mit dem Licht, um meine Modelle mystisch aus dem Dunkel hervor zu holen, funktioniert im grellen Licht einfach nicht. Auch wirken ganz viele Posen voll ausgeleuchtet eher flach bzw. sind einfach nicht so sexy.
Egal, der Job war, auch unter diesen Bedingungen stimmungsvolle Fotos eines schwangeren Paares hinzubekommen. Aus Erfahrung mit den Beiden wusste ich zumindest, dass sie sich auf alles einlassen und extrem unkompliziert sind. Also: Kontrolle ablegen und sich der Situation hingeben, wie ich es immer predige.
Oh Gott, war das lustig! Wir haben alle möglichen Konstellationen aus jeder vertretbaren Perspektive ausprobiert und ich habe dabei am meisten gelacht. In dieser heiteren Stimmung entstand unter anderem dieses starke Portrait, welches meinen künstlerischen Anspruch erfüllt und definitiv nur mit diesem Licht so zu machen war.